Originalquelle: Tiergarten Nürnberg | EU-Workshop im Tiergarten (4 May 2016)
Der Tiergarten der Stadt Nürnberg veranstaltete am Mittwoch, 4. Mai 2016, erstmals eine Fachtagung zu Tierschutzindikatoren (Animal Welfare Indicators) unter der Schirmherrschaft der Intergroup „Climate Change, Biodiversity and Sustainable Development“ des Europäischen Parlaments, vertreten durch den Vorsitzenden der Intergroup, den tschechischen Abgeordneten des Europaparlaments Pavel Poc. Das Europabüro der Stadt Nürnberg hat einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Veranstaltung geleistet.
Die Idee, das Konzept, die Organisation und die Finanzierung sind getragen von einem internationalen Zusammenschluss von Zoos und Delphinarien:
- European Association for Aquatic Mammals (EAAM)
- European Association for Zoos and Aquaria (EAZA)
- Alliance of Marine Mammal Parks & Aquariums (Alliance)
- Verband der Zoologischen Gärten (VdZ)
- World Association of Zoos and Aquariums (WAZA)
Das Ziel dieser Fachtagung war es, Gegenspieler in der gesellschaftlichen Debatte um Zootierhaltung mit der Grundlagenforschung im Tierschutz zu konfrontieren und einen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Konsens zu formulieren, der ein Forschungskonzept beschreibt, durch das die drängendsten Fragen zum Tierschutz in Zoos beantwortet werden können.
Das Programm unterteilte deshalb den Tag in einen Vormittag, an dem ausgewiesene Wissenschaftler zu Wort kamen und in einen Nachmittag, an dem die knapp achtzig Teilnehmer miteinander und mit den Wissenschaftlern aufgefordert waren, konkrete Fragen zu adressieren und letztendlich einen Konsens jenseits gesellschaftspolitischer Differenzen zu finden.
Die Teilnehmer kamen aus Zoos, Behörden, Unis und NGOs von Neuseeland, Kanada, USA, Griechenland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden, Belgien, Litauen, Tschechien, der Türkei, Schweiz, Österreich und Deutschland.
In seiner Begrüßung hob der Schirmherr der Tagung Pavel Poc hervor, dass das Wohlergehen von Tiere auf der europäischen Agenda ganz oben steht:
„Die Europäische Union arbeitet seit Jahren an einer entsprechenden Agenda. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip liegt die Umsetzung der Gesetzgebung für das Wohlergehen der Tiere bei den Mitgliedsstaaten. Indikatoren für das Wohlergehen von Tieren sind wichtig um über Standards zu entscheiden.“
Im ersten Teil der Fachtagung ging es um einen Überblick über die „Welfare Science“ und die Forschung zu Tierschutz-Indikatoren.
Die Hauptvorträge
- Dr. Anastasia Komnenou, Assoc. Prof. of Surgery-Exotic and Wildlife Medicine von der Aristotle Universität in Thessaloniki; Griechenland. Für die Tierärztin ist es von großer Wichtigkeit, an einer Fachtagung teilzunehmen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Wohlergehen von Tieren in menschlicher Obhut zu verbessern. „Als Tierärztin befürworte ich sehr die Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten wie Biologen oder Verhaltensforschern,“ so Prof. Komnenou. „Es ist sehr wichtig Indikatoren zu finden, die den Bedürfnissen der Tiere in allen europäischen Zoos gerecht werden.“
- Heather J. Bacon, BSc (Hons) BVSc CertZooMed MRCVS, von der Universität von Edinburgh, Schottland, verwies darauf, dass es für die Entwicklung von Indikatoren für das Wohlergehen von Tieren notwendig ist, zu verstehen, was die normale Physiologie, Ökologie und Verhaltensweise des Tieres sind. „Das Wohlergehen der Tiere“, so Bacon, „basiert auf Erfahrung, nicht auf Meinung. Der Fortschritt hängt von der Zusammenarbeit und weitere Investitionen von Zeit und Ressourcen auf diesem Gebiet ab.“
„Developing indicators of animal welfare requires a good understanding of normal animal physiology, ecology and behaviour. Animal welfare focuses on the animals experience, not the human opinion. Progress relies on collaboration and further investment of time and resources in this area.” - Prof. Dr. Norbert Sachser, Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
und - Isabella Clegg, Universities Federation for Animal Welfare (UFAW), Frankreich.
Das Grundsatzreferat zur Kognitionsforschung
Prof. Dr. Dr. h.c. Onur Güntürkün von der Ruhruniversität Bochum (Institut für kognitive Neurowissenschaft) und Träger des Gottfried Wilhelm Leibniz Preises (2013). Sein Vortragsthema lautete: „Biopsychology – Cognitive capacities indicate welfare needs“.
Prof. Güntürkün hob auf die Notwendigkeit von Wissenschaft ab. Wörtlich sagte er:
„Mein Hauptaugenmerk gilt den nicht-charismatischen Tieren. Jenen, von denen wir denken, dass sie langweilig seien, jenen, die von den Medien und den Zoobesuchern vernachlässigt werden. Wie reich könnten ihre Innenleben möglicherweise sein? Wir brauchen Wissenschaft, viel Wissenschaft, um auch diese Tierarten in das Rampenlicht der Aufmerksamkeit zu rücken.“
In einem Forum der Tagung stellten sich Vertreterinnen und Vertreter von Zoos, Behörden, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den Fragen des Publikums:
- Dr. Javier Almunia, Loro Parque Foundation, Spanien
- Dr. Katrin Baumgartner, DVM, Tiergarten Nürnberg
- Dr. Johanna Moritz, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
- Dr. Xavier Manteca, Universität von Barcelona, Spanien
- Dr. Niels van Elk, EEP Koordinator für Tursiops truncatus, Dolphinarium Harderwijk, Niederlande
- Dr. Ingrid N. Visser, Gründerin und Wissenschaftlerin im Orca Research Trust, Neuseeland
Aktuelle Zooforschungen im Bezug auf in situ-Artenschutzmaßnahmen thematisierten:
- Prof. Guido Dehnhardt (Institut für Biowissenschaften an der Universität Rostock) und M. Sc. Tim Hüttner (Universität Bayreuth), die über Elektroperzeption bei Delphinen berichteten, und
- Dr. Lorenzo von Fersen (Tiergarten Nürnberg) und Dr. Kurt Hammerschmidt (Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen), die bioakustische Studien über Delphine und Seekühe (Manatis) vorstellten.
Der EEP Koordinator für Große Tümmler, Dr. Niels van Elk, betonte die Bedeutung eines interdisziplinären Ansatzes.
“It was good to have this workshop. The multidisciplinary approach must arrive in time to a pragmatic assessment approach based on science and consensus.”
Die Ergebnisse der Fachtagung sollen im Herbst in Brüssel EU-Parlamentariern und Mitgliedern der EU-Kommission vorgestellt werden.